Am 24.11.2021 stellten die Ampel – Verhandler das Ergebnis Ihrer
wochenlangen, „Konklave“ der Öffentlichkeit unter der Überschrift „MEHR FORTSCHRITT WAGEN - BÜNDNIS FÜR FREIHEIT,
GERECHTIGKEIT UND NACHHALTIGKEIT“ mit vielen pathetischen Worten, vor.
In diesem Beitrag möchte ich mich, als grünes stimmberechtigtes
Gründungsmitglied von Bündnis 90/DIE GRÜNEN mit dem außenpolitischen Teil dieses vollmundig angekündigten und
eingebrachten Dokuments befassen, das laut Robert Habeck das „Beste von allen drei Parteien“
(ZDF: Was nun Herr Habeck und Herr Lindner am 25.11.2021) repräsentiert.
Bündnis 90/DIE GRÜNEN werden in dieser neuen Regierungs-Koalition
wieder das Außenministerium besetzen. Aus meiner Sicht eigentlich eine fantastische Chance mit unserem Kernthema
Klimaschutz global wirklich etwas zu bewegen.
Bin ich optimistisch dass wir hier einen nachhaltigen Einfluß auf
das globale Klima ausüben können ? Nein, jedenfalls nicht in dem Maß wie es erforderlich wäre.
Ich habe also meine Zweifel.
Der außenpolitische Teil atmet den kolonialen Muff westlicher
Überheblichkeit, der zeigt wie wenig auch die Ampel bisher die veränderte Welt wahr und ernst genommen hat.
„Unsere Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik werden wir
wertebasiert und europäischer aufstellen. Die deutsche Außenpolitik soll aus einem Guß agieren und ressortübergreifend
gemeinsame Strategien erarbeiten, um die Kohärenz unseres internationalen Handelns zu erhöhen.
Gemeinsam mit unseren Partnern, auch aus der Zivilgesellschaft, werden wir uns für die Bewahrung unserer freiheitlichen
Lebensweise in Europa und den Schutz von Frieden und Menschenrechten weltweit einsetzen. Dabei leiten uns unsere Werte
und Interessen.“
So schön sich das auch anhört, so gefährlich im Sinne einer aktiven
Friedenspolitik ist das, was sich hinter dieser Kernaussage der Ampel Außenpolitik verbirgt und im weiteren Text dann
zutage tritt:
In Realpolitik übertragen besagt es nichts anderes, als dass man als europäische Nation, mit postkolonialem
Habitus, die nicht Partner-Welt (= Länder die nicht dem Modell der westlichen Demokratien folgen) mit seinem Freiheits-
und Wertesystem beglücken will!
Ist das wirklich eine moderne Außenpolitik die letztlich dazu beitragen soll
anderen Ländern in den folgenden Jahren Vorgaben zu machen wie sie sich organisieren sollen?
Ich denke Nein ! So schlittert man nur in neue Konflikte und verstärkt bestehende
Differenzen !
Wer wertebasierte Außenpolitik betreiben will, muß in der Konsequenz, um glaubwürdig
zu bleiben, seine unverzichtbaren Werte zum einen benennen, und dann auch bereit sein, die Rückkopplung bei der
Durchsetzung dieser Werte in seinem eigenen Land, zu vertreten, wenn dadurch Kooperationen verunmöglicht werden.
Wertebasierte Außenpolitik baut in der Konsequenz immer auf Sanktionen (=Bestrafung)
auf. Sie sagt zu dem Anderen „Wenn Du Dich nicht so verhältst wie ich denke, dass es richtig ist, dann spiele ich nicht
mehr mit Dir oder ich entziehe Dir meine Sympathie.
Und noch konsequenter weiter gedacht: wer seine eigenen Werte als Maßstab zur
Bewertung der Politik eines anderen Landes definiert stellt sein eigenes Wertesystem definitiv über das Wertesystem der
Anderen ! Eine fatal arrogante Sicht.
Eine wertebasierte Außenpolitik, anstatt einer Interessen gesteuerten Außenpolitik,
schaut immer von oben auf andere, da man von der eigenen Überlegenheit überzeugt sein muß, wenn man seine Werte in die
Konsultationen einbringt!
Für mich als GRÜNER der ersten Stunde, der aus der gewaltfreien Konfliktlösungs-
Bewegung kommt und Krieg und Gewalt nie als Mittel der Politik angesehen hat, ist ein derartiger Ansatz – meine Werte sind
Deinen Werten überlegen – nicht tragbar. Entwickelt sich unserer Partei jetzt von einer Friedens- in eine Kriegstreiber
Partei ?
Hinzu kommt ein weiterer Sachverhalt:
Die Welt hat sich verändert und verändert sich täglich weiter! Das sollten
wir auch in Deutschland anerkennen und mit allen Konsequenzen zur Kenntnis nehmen.
In meiner über 18-jährigen Erfahrung mit China habe ich dies sehr deutlich
wahr genommen.
Ich bin deshalb enttäuscht darüber dass der Koalitionsvertrag in der
Konsequenz keinen Beitrag dazu leistet, die Welt friedlicher und kooperativer zu gestalten:
„Die strategische Souveränität Europas wollen
wir erhöhen. Ziel ist eine multilaterale Kooperation in der Welt, insbesondere in enger Verbindung mit denjenigen Staaten,
die unsere demokratischen Werte teilen. Dabei geht es auch um den Systemwettbewerb mit autoritär regierten Staaten und
eine strategische Solidarität mit unseren demokratischen Partnern.“ (Seite 143)
Man ist offenbar bereit, sich an der durch die USA in den vergangenen 20
Jahren vorangetriebenen Spaltung der Welt zu beteiligen. Hier die Demokratien eines westlichen Modells, da undifferenziert
und polemisch herausgestellt die autoritär regierten Staaten die auch namentlich, dem tagespolitischen Stimmungsbild
entsprechend benannt werden: Rußland, China, Belarus, Iran, Türkei und was auch sonst noch täglich dazu kommt. Der
Koalitionsvertrag definiert damit ganz klar „Wir und die Anderen“.
Diese Herangehensweise ist für mich als grünes Gründungsmitglied Ausdruck
eines nach hinten, auf Ansprüche gerichteten Denkens und das Gegenteil einer positiven Ausrichtung auf die Zukunft.
Anstatt den von den USA forcierten globalen Konflikt, zwischen den beiden
Supermächten zu thematisieren, und die Vermeidung eines neuen kalten Krieges als Ziel zu formulieren, stellt man sich
kritiklos auf die Seite der USA und beschreibt China als den globalen Störenfried den man verändern will:
„Unsere Erwartung an die chinesische Außenpolitik
ist, dass sie eine verantwortungsvolle Rolle für Frieden und Stabilität in ihrer Nachbarschaft spielt. Wir setzen uns
dafür ein, dass territoriale Streitigkeiten im süd- und ostchinesischen Meer auf Basis des internationalen Seerechts
beigelegt werden.
Eine Veränderung des Status Quo in der Straße von Taiwan darf nur friedlich und im gegenseitigen Einvernehmen erfolgen.
Im Rahmen der Ein-China-Politik der EU unterstützen wir die sachbezogene Teilnahme des demokratischen Taiwan in
internationalen Organisationen.
Wir thematisieren klar Chinas Menschenrechtsverletzungen, besonders in Xinjiang.
Dem Prinzip „Ein Land – zwei Systeme“ in Hong Kong muß wieder Geltung verschafft werden.“ (Seite 157)
Es ist scheinbar ganz normal, das die Regierung eines 80 Mio. Volkes der
Regierung eines 1,4 Mrd Volkes sagt wo es lang geht. (Geht’s noch ?) Die zum Regierungsprogramm erhobenen Unterstellungen
gegenüber China basieren auf einer arroganten, teilweise Fakten negierenden Beschreibung und der Bevormundung eines
riesigen Landes, dass sich durch Fleiß und kluge, dem Menschen dienende Regierungsarbeit, in den vergangenen 70 Jahren
seit der Neugründung als Volksrepublik, aus bitterster Armut (1949 lag das pro Kopf BSP in China bei 27 USD/a und damit
deutlich unter dem Wert für ganz Asien: 44 USD/a) zur zweitgrößten Wirtschaftsnation der Welt entwickelt hat.
Das Ganze nur, weil das Narrativ über die angeblichen Verletzungen von
Menschenrechten in unseren Medien nahezu täglich wiederholt wird – Fakt ist, dass die allermeisten Medienschaffenden, die
dieses Narrativ als „Tatsache“ dauernd zitieren und es damit zur „Wahrheit“ hoch schreiben, keinerlei eigene Kenntnis von
der realen Situation und Entwicklung in China haben! Das ist keine verantwortungsvolle Aussenpolitik, das ist plumper
Populismus !
Als jemand der seit mehr als 18 Jahren in diesem Land tätig ist, kann ich
mit gutem Gewissen sagen, dass es bis heute keine Substanz dafür gibt, zu behaupten China würde systematische, von der
Regierung gewollte Menschenrechtsverletzungen betreiben.
Wir haben kein Recht uns moralisch, zu einer solchen Verurteilung gegenüber
China, aufzuschwingen! Was bilden wir uns eigentlich in Deutschland ein, wo wir selbst nicht in der Lage sind das in der
UN Deklaration verbriefte Recht auf Asyl in Europa umzusetzen, anderen Ländern vorwerfen zu können, dass Sie UN
Deklarationen nicht einhalten?
Niemand in Deutschland und Europa trägt für die Lehensverhältnisse einer
1,4 Mrd. Einwohner zählenden Bevölkerung Verantwortung ! Niemand hier kennt die Herausforderungen ein Land wie China
friedlich zusammen zu halten!
Es kann nicht im Sinne einer Frieden stiftenden Außenpolitik sein,
unbewiesene Behauptungen als Teil eines Koalitionsvertrages zu postulieren, damit in die offizielle Regierungspolitik zu
überfuhren und in der Konsequenz, sollte diese Politik angewendet werden, einer globalen Spaltung Vortrieb zu leisten.
Damit dient man nicht unserem Land sondern richtet einen unübersehbaren, außenpolitischen Schaden an.
Wir als GRÜNE haben uns immer darüber definiert zu einer friedvollen
globalen Entwicklung beitragen zu wollen. Der vorgelegte Koalitionsvertrag führt uns in die andere Richtung!
Deutsche Außenpolitik muß sich darauf ausrichten Vorurteile abzubauen
und den Umgang mit anderen Ländern in Deutschland offener und toleranter zu gestalten. Wir sind keine Weltpolizisten und
haben mit Blick auf unsere Geschichte auch kein Recht gegenüber irgendeinem anderen Land mit erhobenem Zeigefinger
aufzutreten.
Das bedeutet auf keinen Fall dass man sich nicht für Menschenrechte und
Frauengleichstellung einsetzen kann und soll. Die Geschichte hat gezeigt, wer in diesen Punkten etwas bewegen will macht
dies weniger öffentlich und dafür systematisch und bewahrt auch das Gesicht anderer Kulturen. Wir müssen lernen zu
akzeptieren dass nicht nur unsere eigenen Vorstellungen gesellschaftlicher Organisation dazu beitragen Menschen glücklich
zu machen und wir müssen akzeptieren, dass die ehemals armen Länder heute als Wettbewerber im globalen Rennen um
Wohlstand, auch gegenüber uns auftreten.
Der vorgelegte Vertrag hat leider keinen integrativen und kooperativen
außenpolitischen Schwerpunkt, er zielt im Wesentlichen darauf ab eigene Werte zu exportieren und die Interessen des
eigenen Kulturkreises zu beschützen.
Niemand auf der Welt braucht aber heute noch die Beglückung durch die
reichen Europäer ! Es gibt weiterhin viel zu tun um Menschen in anderen Ländern zu helfen und ihnen ein menschenwürdiges
Leben zu ermöglichen. Armutsbekämpfung, Kriege und Fluchtursachen beenden, und wirtschaftliche Entwicklung in Ländern zu
ermöglichen die weiterhin von Konflikten und Mangel geprägt sind.
All das gehört für mich zur Außenpolitik eines wirtschaftlich starken
und liberalen Deutschlands.
Um das aber erreichen zu können, reicht es nicht es zu wollen, man muß
es auch machen können und dazu braucht man zuallererst eine Außenpolitik ohne erzieherischen Ansatz !
Die „Bewahrung unserer freiheitlichen Lebensweise in Europa“ ist ein
wichtiges europäisches Anliegen, der Export dieser Lebensweise in andere Regionen der Welt ist aber zum Scheitern
verurteilt und führt nur in Konflikte.
Aus meiner Sicht stellt der Koalitionsvertrag zum Thema Außenpolitik
definitiv nicht das Beste von allen Parteien dar, wie von Robert Habeck behauptet! Im Gegensatz, er fuehrt Deutschland,
Europa und die Welt in noch mehr Konflikte ! Deshalb kann ich als Gründungsmitglied es nicht verantworten diesem Vertrag
meine Zustimmung zu geben.